Die meisten Bewerber atmen innerlich auf, wenn die Frage kommt: „Haben Sie noch Fragen?“ – weil sie denken, das Gespräch ist damit fast vorbei und man hat es „überstanden“. Tatsächlich beginnt hier der spannendste Teil. Denn jetzt zeigt sich, ob du wirklich Führung beweist – auch im Bewerbungsprozess. Denn was hier gefragt wird, ist nicht nur Neugier – sondern Charakter.
Inhaltsverzeichnis
Was wirklich hinter der Frage „Haben Sie noch Fragen?“ steckt
Wenn am Ende eines Bewerbungsgesprächs die Frage fällt: „Haben Sie noch Fragen?“ – dann ist das keine Formsache. Und auch kein netter Abschluss. Diese Rückfrage ist ein psychologisches Fenster.
Hier zeigt sich, wie du denkst, wie du zugehört hast – und ob du auf Augenhöhe kommunizieren kannst.
Gute Recruiter und Führungskräfte wollen damit herausfinden:
- Wie ernst nimmst du das Gespräch bzw. hast du es genommen?
- Hast du wirklich zugehört – oder nur gewartet, bis du wieder dran bist?
- Wie weit kannst du über dich selbst hinausblicken – Richtung Team, Kultur, Sinn?
- Und: Bringst du den Mut mit, auch selbst gute Fragen zu stellen?
Mit anderen Worten: Diese eine Frage am Schluss ist ein Mini-Assessment.
Sie testet gleich vier wichtige Kompetenzen:
1. Dein echtes Interesse
Eine gute Rückfrage zeigt, dass du dich mit dem Unternehmen beschäftigt hast – nicht nur oberflächlich. Ein „Wie sieht der typische Arbeitstag aus?“ ist nett, aber sehr allgemein.
Viel besser:
„Wie messen Sie den Erfolg in dieser Position – rein an KPIs oder auch an kulturellen Faktoren?“
„Wie sieht die Einarbeitung aus – und wie wird sichergestellt, dass neue Teammitglieder wirklich ankommen?“
2. Deine Wahrnehmung
Wer im Gespräch aufmerksam war, stellt oft eine Rückfrage, die auf Inhalte der letzten 30-60 Minuten Bezug nimmt. Zum Beispiel:
„Sie haben vorhin erwähnt, dass sich das Team im Umbruch befindet – was ist für Sie das Wichtigste, das jemand in dieser Rolle mitbringen muss?“
Das zeigt: Ich habe nicht nur zugehört – ich habe verstanden.
3. Dein Selbstbild
Durch deine Frage offenbarst du viel über dein Denken – ob du strategisch, kreativ, vorsichtig oder lösungsorientiert bist. Fragen wie: „Welche typischen Fehler machen neue Mitarbeiter in dieser Position – und wie könnte ich sie vermeiden?“ … zeigen Demut, Selbstreflexion und Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
4. Deine Kommunikationsstärke
Wer Rückfragen stellt, die offen sind, wertschätzend formuliert und nicht von Eigeninteresse getrieben sind, zeigt: Ich kann zuhören – und gleichzeitig Impulse setzen.
Was du besser nicht fragen solltest
Ein paar No-Gos, die oft auftreten und leider keine gute Wirkung hinterlassen:
❌ „Wie viele Urlaubstage habe ich?“
– Wirkt zu früh nach Benefits fragend. Das kann später noch kommen.
❌ „Was genau macht das Unternehmen eigentlich?“
– Das muss man wissen – alles andere wirkt faul oder unvorbereitet.
❌ „Wann bekomme ich Rückmeldung?“
– legitim, aber nur als Nebenfrage. Nicht die eine Frage.
❌ „Kann ich auch im Homeoffice arbeiten?“
– Klingt schnell nach Fluchtgedanken. Wenn, dann vorsichtig und eingebettet stellen:
„Wie ist die Teamkommunikation organisiert – auch im Hinblick auf flexible Arbeitsorte?“
Die typischen Antworten – und warum sie kaum Eindruck machen
Viele Bewerber denken: „Hauptsache, ich frage irgendwas.“ Doch genau hier beginnt das Problem.
Denn nicht jede Rückfrage ist besser als keine – manche wirken unvorbereitet, egozentrisch oder schlicht belanglos. Und das ist verschenktes Potenzial. Besonders in einem Moment, der eigentlich zeigt, wer du bist, wie du denkst – und wie sehr du diese Stelle wirklich willst.
Hier ein paar klassische Antworten, die fast jeder schon mal gehört hat – und warum sie im Bewerbungsgespräch wenig bewirken:
❌ „Nein, ich glaube, es wurde alles gesagt.“
Klingt höflich. Ist aber ein stilles: „Ich will nur noch raus hier.“
Diese Antwort zeigt weder Neugier noch Engagement. Sie signalisiert: Ich bin nicht bereit, über das Offensichtliche hinauszudenken.
Tipp: Lieber eine kleine, echte Rückfrage stellen – auch wenn sie simpel ist.
❌ „Wie viele Urlaubstage gibt es?“
Natürlich will jeder wissen, wie viel Freizeit er bekommt. Aber wer diese Frage als einzige oder erste stellt, rückt das falsche Thema in den Fokus: Ich zuerst. In der Anfangsphase zählt aber nicht, was du bekommst, sondern was du einbringen willst.
Tipp: Wenn’s wirklich wichtig ist, bring das Thema erst auf, wenn’s konkret Richtung Angebot geht – oder pack’s in eine Frage zur Work-Life-Balance ein: „Wie achten Sie im Team auf gesunde Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit?“
❌ „Wie lange dauert der Auswahlprozess?“
An sich eine valide Frage – aber nicht alleinstehend. Wenn du nur das fragst, klingt’s wie: Ich bin in Eile. Wie lange muss ich mich gedulden, bis ich absagen kann?
Tipp: Besser als Ergänzung fragen, z. B.: „Was sind die nächsten Schritte im Auswahlprozess – und worauf legen Sie dabei besonders Wert?“
❌ „Wie sieht die Bezahlung aus?“
Gehalt ist wichtig – keine Frage. Aber zu früh gestellt (vor einem Angebot oder zweiten Gespräch) wirkt es gierig und ungeschickt. Vor allem, wenn noch gar nicht klar ist, ob die Chemie stimmt.
Tipp: Heb dir das Thema für später auf – oder verpacke es mit Taktgefühl: „Wird es bei einem zweiten Gespräch die Möglichkeit geben, auch über das Gehalt zu sprechen?“
❌ „Gibt es Homeoffice?“
Auch das ist ein legitimes Anliegen. Aber vorschnell oder isoliert gefragt, wirkt’s wie ein Fluchtplan statt ein Integrationswunsch.
Tipp: Besser einbetten: „Wie sieht die Zusammenarbeit im Team aus – vor Ort und digital?“
❌ „Wie ist die Kantine?“ oder „Wo kann man hier gut essen?“
Wirkt locker gemeint, aber schnell deplatziert – vor allem, wenn der Rest des Gesprächs eher ernst oder sachlich war.
Tipp: Nur stellen, wenn bereits eine lockere Dynamik besteht und du vorher mit smarten Fragen geglänzt hast.
❌ „Wie lange arbeitet man hier so durchschnittlich am Tag?“
Diese Frage zielt auf die Arbeitszeit – und kann missverstanden werden als: Wie komme ich hier möglichst schnell wieder raus?
Tipp: Besser fragen: „Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus – und wie wird hier mit Überstunden umgegangen?“
Fazit: Nicht jede Frage ist harmlos – manche kosten Sympathie und Chancen
Der entscheidende Punkt ist: Deine Rückfrage ist kein Pflichtprogramm. Sie ist deine Bühne.
Wenn du hier oberflächlich, unvorbereitet oder egozentrisch wirkst, sendest du genau das aus – egal wie gut dein Lebenslauf aussieht.
💡 Tipp fürs nächste Gespräch: Stell dir vor, deine Rückfrage ist eine Art Spiegel. Was soll sie über dich zeigen?
– Neugier?
– Ernsthaftes Interesse?
– Selbstreflexion?
– Verantwortungsbewusstsein?
Wenn du das beantworten kannst – wirst du auch die passende Frage finden.
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