Zwischen Zoom-Link und Du-Kultur – was gute Manieren im Business wirklich bedeuten

Auf den Punkt gebracht, Selbstständigkeit
Zwischen Zoom-Link und Du-Kultur - was gute Manieren im Business wirklich bedeuten

Egal ob als Angestellter oder – wie bei mir – in der Selbstständigkeit, man hat es oft mit neuen Projekten und mit neuen Ansprechpartnern zu tun. Manchmal geplant, viel öfters eher nicht. Und plötzlich ein E-Mail: Neuer Ansprechpartner. Neues Projekt. Noch kein persönliches Kennenlernen oder Austausch und trotzdem liest man im E-Mail ‚gerne per Du‘. Dazu eine Liste von Aufgaben und Tasks, die klingen, als hätte man schon seit Monaten zusammengearbeitet und sich regelmäßig auf ein Feierabendbier getroffen.

WTF. Wo ist die Grenze zwischen moderner Kommunikation und fehlendem Respekt?

Nein, bitte nicht falsch verstehen. Ich bin kein „Sie“-Freund per se. Ich mag den offenen und lockeren Austausch und bevorzuge persönliche Kommunikation. Doch wenn man ein E-Mail mit „Hallo Herr Kühn“ startet und in der zweiten Zeile ‚gerne per Du‘ verankert und dann nur noch im lockeren Du-Stil kommuniziert als würden wir uns schon ewig kennen – dann läuft etwas schief.

Was ist mein Thema?

So mancher wird sich vielleicht fragen ‚Ronny, was ist dein Problem? Das ist doch locker und ganz ok.‘.
Ehrlich gesagt: Für mich ist das kein Stilbruch, sondern ein Haltungsproblem. Denn Kommunikation ist immer auch ein Spiegel von Respekt. Und Respekt zeigt sich nicht darin, wie locker man redet und wie schnell wie auf Du schwenken, sondern wie bewusst man mit Grenzen umgeht. (Das kann man by the way, ganz gut bei Donald Trump und den Umgang mit anderen Personen, bzw. sogar Präsidenten sehen).

Ich habe nichts gegen ein Du – wirklich nicht. Ich biete es selbst oft genug an. Aber ich habe wirklich etwas dagegen, wenn es benutzt wird, um Distanz zu überspielen oder (was öfters passiert) Professionalität zu umgehen. Ein echtes „Du“ entsteht aus Vertrauen, nicht aus Bequemlichkeit, oder „weil es halt so Gang und Gäbe ist“.

Was mir in solchen Situationen fehlt, ist die gute alte Business-Hygiene: Sich vorstellen. Kontext geben. Den Ton an den Rahmen anpassen. Einfach kurz die Frage stellen: „Wie wollen wir gemeinsam kommunizieren?“. So simpel. So selten.

Vielleicht bin ich da altmodisch, doch für mich gilt: Wer Respekt nicht schon in der Begrüßung, oder im ersten Auftritt zeigen kann, wird ihn später im Projekt ebenfalls nicht zeigen. Schon gar nicht, wenn es um Austausch, Zuhören, Anerkennung oder Krisen meistern geht. (und da spreche ich aus Erfahrung).

Terminvorschläge so la la

Doch der besagte Ansprechpartner hat nicht nur ein Fettnäpfchen betreffend der Kommunikation erwischt, sondern gleich eine ganze Galerie an Fettnäpfchen anvisiert. Im gleichen E-Mail übermittelt er mir seine Terminvorschläge für den ersten Austausch – allerdings nicht auf Basis einer geplanten Meeting-Dauer, sondern einfach nach seinen freien Zeiten. Sollte ein Termin passen, kann ich ihm dazu gerne einen Besprechungslink schicken.

Moment. Hab ich das richtig gelesen? Ich soll ein Meeting planen, das er gerne möchte, inklusive Besprechungslink – ohne Agenda, ohne Dauer, ohne Ziel? Auf Deutsch: Ich soll seinen Job machen, damit das Meeting erfolgreich wird. Ja, das kann man machen – sollte man aber nicht.

Ich habe dem werten Ansprechpartner höflich mitgeteilt, dass ich einen 1-Stunden-Zeitslot am Freitag um 11:00 Uhr reserviere. Punkt. Kein Meetinglink. Keine Agenda. Nichts weiter.

Ich frage mich manchmal, ob es an der zunehmenden Meeting-Kultur liegt oder einfach am fehlenden Bewusstsein, wie respektvolle Zusammenarbeit eigentlich funktioniert. Wer ein Gespräch anfragt, sollte den Rahmen definieren – nicht einfach „irgendwas einwerfen“ und erwarten, dass der andere schon alles vorbereitet.

Doch es geht noch weiter: Der Ansprechpartner schickte mir ein E-Mail mit dem Besprechungslink und dem Satz: „Ich habe sicherheitshalber zwei Stunden reserviert – 10:00 bis 12:00 Uhr.“

Sicherheitshalber? Wow. Spätestens hier wurde es mehr als unprofessionell. Denn fehlende Vorbereitung mit einem höheren Zeitrahmen zu kompensieren ist – gelinde gesagt – frech. Zudem hat er einfach meine Terminplanung ignoriert und meinen Zeitslot eigenmächtig überschrieben.

Hier sieht man deutlich den Mangel an Respekt, den ich vorher erwähnt habe – und ich habe mit diesem Ansprechpartner noch kein einziges persönliches Wort ausgetauscht.

  1. Meetings sind keine Netflix-Folgen, bei denen man einfach mal schaut, „wie’s läuft“. Wer professionell arbeitet, bereitet sich vor, formuliert Ziele, definiert Zeitrahmen – und respektiert, dass die Zeit anderer genauso wertvoll ist wie die eigene.
  2. Wer Termine anderer ignoriert und ohne Rückfrage einfach nach vorne oder hinten verschiebt, hat kein Organisationsproblem, sondern ein Haltungsproblem. Ein großes Haltungsproblem.

Genau hier trennt sich Professionalität von Beliebigkeit. Es sind oft nicht die großen Fehler, sondern die kleinen Gesten, die zeigen, wie jemand arbeitet – oder eben nicht arbeitet. Und wer schon am Anfang einer Zusammenarbeit keine Struktur, keine Vorbereitung und keinen Respekt zeigt, wird später auch keine Führung zeigen.

Fehlende Vorbereitung

Meetings sind keine Slots, die man einfach mal bei allen möglichen Personen reservieren kann. Meetings haben immer einen Sinn. Und wenn ein Meeting keinen Sinn hat – also keine klare Agenda, kein Ziel, kein erwartetes Ergebnis – dann war es schlicht verlorene und teure Arbeitszeit für alle Beteiligten.

Solche Meetings sind unnötig und lassen sich immer vermeiden.
Das Zauberwort dazu heißt: Vorbereitung.

Wer ein Meeting initiiert, muss wissen, was sein Ziel ist und was er nach dem Meeting in den Händen halten möchte. Kann er das nicht definieren und schaut einfach mal, „was so dabei rauskommt“, dann verbrennt er Ressourcen – und zwar nicht nur seine eigenen, sondern auch die der anderen.

Solche Meetings kann man sich gleich sparen – und, ganz ehrlich, manchmal auch gleich den Meeting-Initiator dazu.

In diesem Fall war es nicht anders. Nur vage Aussagen, worum es gehen soll. Kein Fokus, keine Struktur. Eher so im Stil: „Schaun wir mal, was du uns so geben kannst und wie wir das verwenden können.“ Höchst unprofessionell. Es geht auch anders. Nämlich dann, wenn Führungskräfte und Projektverantwortliche ihre Rolle ernst nehmen – und Meetings nicht als Selbstzweck sehen, sondern als Instrument, um etwas zu erreichen.

Unproduktive Meetings und Meetings ohne Vorbereitung kosten Geld. Viel Geld.

Wusstest du, dass Unternehmen in den USA jährlich 24 Milliarden Stunden allein dadurch verlieren, dass Meetings ineffizient oder ohne klare Struktur stattfinden? Allein in Geld bemessen entspricht das rund 399 Milliarden US-Dollar an verschwendeter Zeit und Ressourcen. (Quelle: thetreetop.com) Auch in Deutschland kosten ineffiziente Meetings nicht nur Stunden, sondern Euro und Wettbewerbsfähigkeit. Ein mittelgroßes Unternehmen mit 100 Mitarbeitenden verliert laut einer t3n-Analyse durch schlecht vorbereitete Meetings mehr als 570.000 € pro Jahr. (Quelle: t3n Magazin)

Im Schnitt verbringt ein Mitarbeiter 11,3 Stunden pro Woche in Meetings – und Schätzungen gehen davon aus, dass rund 30 % dieser Zeit unproduktiv ist. (Quelle: fellow.app) In einer Studie zum Meeting-Konsum gaben deutsche Büroangestellte an, 16,5 Stunden im Monat in Sitzungen zu sitzen, die sie als überwiegend ineffektiv empfanden. Quelle: DATEV magazin)

Es klingt fast absurd, aber wenn jemand ein Meeting ohne Agenda, Ziel und klaren Zeitrahmen initiiert, dann handelt er direkt gegen Effizienz und Respekt. Diese kleinen Gewohnheiten summieren sich zu großen Kosten – finanziell, organisatorisch und emotional.

Es geht auch anders

Ja, richtig gelesen: Es geht auch anders. Meetings können produktiv, klar und sogar inspirierend sein – wenn Führung gelebt wird. Wahre Leader planen keine Meetings, um etwas „abzuarbeiten“, sondern um etwas zu erreichen. Sie wissen, warum sie Menschen zusammenbringen, und sie respektieren die Zeit aller Beteiligten.

Das zeigt sich schon in der Vorbereitung: Eine klare Agenda, ein konkretes Ziel, ein definiertes Ergebnis – und vor allem: eine klare Verantwortung.

Ein Leader stellt nicht die Frage:

Was können wir heute alles besprechen?
Sondern:
Was muss am Ende dieses Meetings entschieden, geklärt oder umgesetzt sein?

Das ist der Unterschied zwischen Beschäftigung und Wirkung.
Zwischen Aktionismus und Führung.

Wahre Führungspersönlichkeiten schaffen Struktur, bevor sie Kommunikation suchen. Sie wollen keine Zeit füllen, sondern Sinn stiften. Und sie verstehen, dass Respekt keine Worthülse ist, sondern sich in kleinen Dingen zeigt – in Vorbereitung, Verlässlichkeit und Haltung. Wenn Unternehmen diese Meeting-Kultur leben würden, könnten sie Milliarden sparen – an Geld, an Zeit und an Nerven. Aber noch wichtiger: Sie würden Vertrauen aufbauen.

Denn nichts ist professioneller, als wenn man merkt: Da sitzt jemand, der vorbereitet ist, zuhört und das Ziel kennt. Und das ist der feine, aber entscheidende Unterschied zwischen einem falschen Chef – und einem wahren Leader.

Fazit

Am Ende zeigt sich wahre Führung nicht in großen Reden oder schicken PowerPoint-Slides, sondern im respektvollen Umgang mit Menschen – und in der Fähigkeit, sich vorzubereiten. Wer Meetings ohne Ziel, Struktur und Haltung startet, führt nicht – der verwaltet nur Chaos.

Wenn du dich dabei ertappt fühlst oder solche Szenarien aus deinem Arbeitsalltag kennst, dann lohnt sich ein Blick in mein Buch „Falsche Chefs. Wahre Leader.“ Darin geht es genau um diese Momente – um Kommunikation, die Vertrauen zerstört oder aufbaut, um Führung, die inspiriert statt kontrolliert, und um Menschen, die den Unterschied machen.

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Denn echte Führung beginnt nicht mit Macht, sondern mit Haltung.

Ronny Kühn
Autor, Content Creator, Unternehmer
Ronny Kühn, geboren 1979 in Merseburg und aufgewachsen in Österreich, bringt über 20 Jahre Erfahrung in Branchen wie Metallverarbeitung, IT und Telekommunikation mit. Nachdem er persönliche Herausforderungen wie ein schweres Burnout überwand, teilt er in seinem Buch „Falsche Chefs. Wahre Leader.“ praxisnahe Führungsstrategien.

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