Wer kennt sie nicht, die ultimative Phrase um glücklich zu sein und Entscheidungen zu treffen: Love it, leave it or change it. In meiner Rolle als Teamleiter, Führungskraft und als Autor des Buches „360 Grad Führung“ habe ich mich intensiv mit den Dynamiken und Herausforderungen in der Unternehmensführung auseinandergesetzt. Ein zentrales Thema, das immer wieder in Diskussionen und Seminaren – aber auch bei Unternehmensveränderungen auftaucht, ist die Phrase „Love it, leave it or change it„.
Diese scheinbar einfache Formel wird oft als universeller Selbstmotivator in der Unternehmenswelt präsentiert, um Angestellten (aber auch Führungskräften) zu helfen, eine Entscheidung zu treffen oder sich mit ihrer aktuellen Situation auseinanderzusetzen. Doch bei genauerer Betrachtung offenbart sich, dass diese Phrase in vielen Fällen eher eine Illusion von Wahl darstellt, als tatsächliche Handlungsoptionen zu bieten. In diesem Artikel möchte ich genau darauf eingehen und die Implikationen dieser Phrase aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.
Die Trügerische Einfachheit der Phrase
„Love it, leave it or change it“ klingt zunächst nach einer klaren und einfachen Handlungsanweisung. Sie suggeriert, dass man in jeder Situation drei klare Optionen hat: Akzeptieren, was ist („Love it“), die Situation verlassen („Leave it“) oder aktiv Veränderungen herbeiführen („Change it“). Diese Einfachheit ist verführerisch, denn sie verspricht schnelle Lösungen und klare Entscheidungswege.
In der Realität der Arbeitswelt sind diese Optionen jedoch oft nicht so klar und einfach umsetzbar, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Phrase wird häufig von Managern und Führungskräften an ihre Angestellten gerichtet, doch sie berücksichtigt nicht die Komplexität und die Einschränkungen, mit denen Mitarbeiter konfrontiert sind.
Diese Formel, die manchmal sogar Henry Ford zugeschrieben wird, klingt verlockend einfach, aber sie ignoriert die komplexen Realitäten des Arbeitslebens. Lassen Sie uns diese drei Optionen genauer betrachten und ihre Praktikabilität und Realitätsnähe hinterfragen.
„Love it“: Eine überzogene Erwartung
Die Aufforderung, seinen Beruf zu „lieben“, setzt eine sehr hohe Messlatte. Natürlich ist es ideal, wenn man seine Arbeit genießen und sich darin erfüllt fühlen kann. Aber die Realität ist, dass viele Menschen arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und nicht unbedingt, um ihre Leidenschaft auszuleben. Die Erwartung, dass jeder seinen Job lieben sollte, ist (heutzutage) nicht nur unrealistisch, sondern kann auch zu einem Gefühl des Versagens führen, wenn diese Liebe nicht empfunden wird.
Natürlich ist es wichtig, eine Balance zu finden. Man muss seinen Beruf nicht unbedingt lieben, aber man sollte ihn auch nicht hassen. Eine gesunde berufliche Einstellung ermöglicht es, Zufriedenheit und Erfüllung in der Arbeit zu finden, ohne dass diese zur einzigen Quelle des Lebensglücks wird. Die Forderung, den Beruf basierend auf „Love it“ zu lieben, ist übertrieben und kann Druck und Unzufriedenheit im Zusammenhang mit unterschiedlichen Erwartungen erzeugen.
„Leave it“: Nicht immer eine Option
„Leave it“ scheint auf den ersten Blick eine einfache Lösung zu sein: Wenn man mit seiner Arbeit unzufrieden ist, sollte man einfach gehen. Wie einfach ist das denn, bitte?! Doch diese Option ist oft nicht so einfach umsetzbar. In einem unsicheren Arbeitsmarkt oder bei persönlichen Umständen, die einen Jobwechsel erschweren, ist diese Wahl nicht realistisch. Zudem gibt es viele Gründe, warum Menschen in ihrem aktuellen Arbeitsumfeld bleiben möchten, wie zum Beispiel geschätzte Kollegen, die Nähe zum Wohnort oder die Sicherheit eines festen Einkommens.
Die Entscheidung, einen Arbeitsplatz zu verlassen, sollte nie leichtfertig getroffen werden. Sie erfordert sorgfältige Überlegung und Planung, und nicht jeder ist in der Lage, diese Wahl zu treffen. Es ist sogar fahrlässig, die Option „Leave it“ als eine leichte Entscheidung darzustellen, die ohne größere Konsequenzen getroffen werden kann. Diese Sichtweise ignoriert die oft komplexen und vielschichtigen Realitäten, mit denen sich Arbeitnehmer konfrontiert sehen. In Wahrheit ist ein Jobwechsel häufig mit erheblichen Unsicherheiten, finanziellen Risiken und emotionalen Belastungen verbunden. Die Vorstellung, dass man einfach gehen kann, wenn man mit seiner Arbeit unzufrieden ist, verharmlost die tatsächlichen Herausforderungen und Schwierigkeiten, die ein solcher Schritt mit sich bringt. Es ist wichtig, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ein realistisches Verständnis für die Tragweite und die möglichen Folgen einer Kündigung entwickeln.
„Change it“: Eine Illusion der Macht
Die Option „Change it“ klingt ermächtigend, suggeriert sie doch, dass man die Macht hat, seine Arbeitsumgebung zu verändern. Doch in vielen Fällen ist dies eine Illusion. Die Fähigkeit, Veränderungen in einem Unternehmen herbeizuführen, hängt stark von der Position, den vorhandenen Ressourcen und der Unternehmenskultur ab. Viele Angestellte stehen vor strukturellen Barrieren, die es schwierig machen, signifikante Veränderungen zu bewirken.
Diese Option ignoriert die Tatsache, dass nicht jeder Mitarbeiter die Autorität oder die Mittel hat, um Veränderungen in seinem Arbeitsumfeld zu initiieren oder durchzusetzen. In vielen Fällen sind die Hände der Angestellten gebunden, und die Macht, wirkliche Veränderungen herbeizuführen, liegt außerhalb ihrer Reichweite.
Das Dilemma von „Love it, leave it or change it“
Die gängige Auffassung, dass man im Berufsleben stets vor drei grundlegenden Entscheidungen steht – „Love it, leave it or change it“ –, stellt viele Menschen vor ein großes Dilemma. Diese Optionen werden oft als klare und einfache Wege angepriesen und dargestellt, die man nur ergreifen muss.
Pah, wenn es doch so einfach wäre. Die Realität sieht jedoch anders aus: Keine dieser Optionen bietet eine universelle oder gar optimale Lösung für die vielfältigen und komplexen Herausforderungen des Arbeitslebens. Viele Menschen finden sich in einem Zustand der Verwirrung und Unsicherheit wieder, da sie zwischen diesen scheinbar eindeutigen Entscheidungen hin- und hergerissen sind. Sie erkennen, dass jede Option ihre eigenen Einschränkungen und Konsequenzen mit sich bringt, die oft nicht mit ihren persönlichen Umständen oder beruflichen Zielen übereinstimmen.
Diese Situation führt zu einem ständigen Kreisen im Dreieck dieser Entscheidungen, ohne eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Es entsteht ein Gefühl der Frustration und des Stillstands, da die vorgegebenen Optionen nicht die notwendige Flexibilität oder Tiefe bieten, um den individuellen Bedürfnissen und der einzigartigen Situation jedes Einzelnen gerecht zu werden. Dieses Dilemma unterstreicht die Notwendigkeit, über die Grenzen dieser drei Optionen hinauszudenken und alternative, maßgeschneiderte Lösungen zu suchen, die eine tiefere Erfüllung und Zufriedenheit im Berufsleben ermöglichen.
„Redefine it“: Eine Neue Perspektive in der Berufswelt
„Redefine it“ ist ein Konzept, das über die traditionellen Optionen von „Love it, leave it or change it“ hinausgeht und eine tiefere, flexiblere Herangehensweise an berufliche Herausforderungen bietet. Es geht darum, die eigene Situation neu zu definieren und zu interpretieren, anstatt sich auf vorgefertigte Lösungen zu beschränken. Diese Herangehensweise ermutigt sowohl Angestellte als auch Führungskräfte, über den Tellerrand hinauszublicken und kreative, individuell angepasste Lösungen zu finden.
Was bedeutet „Redefine it“?
- Neubewertung der Situation: Statt die Situation als festgelegt und unveränderlich zu betrachten (vgl. „Love it„), ermutigt „Redefine it“ dazu, die eigene Perspektive zu überdenken. Dies kann bedeuten, die eigenen Erwartungen, Ziele und Werte zu reflektieren und anzupassen.
- Kreative Problemlösung: Anstatt sich auf Standardlösungen zu verlassen, fördert „Redefine it“ kreatives Denken, um neue Wege und Möglichkeiten zu erkunden. Dies kann innovative Ansätze zur Jobgestaltung, Karriereentwicklung oder zur Verbesserung der Arbeitsumgebung beinhalten.
- Persönliche und berufliche Entwicklung: „Redefine it“ legt einen Schwerpunkt auf persönliches Wachstum und berufliche Entwicklung. Es geht darum, Möglichkeiten zur Weiterbildung und zur Erweiterung der eigenen Fähigkeiten zu erkunden, um sich sowohl persönlich als auch beruflich weiterzuentwickeln.
„Redefine it“ eine primäre Entscheidung
- Größere Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Im Gegensatz zu den starren Optionen von „Love it, leave it or change it“ bietet „Redefine it“ eine größere Flexibilität, um auf die spezifischen Bedürfnisse und Umstände des Einzelnen einzugehen. Es ermöglicht eine individuellere Herangehensweise, die realistischer und umsetzbarer ist.
- Förderung von Eigenverantwortung und Empowerment: Diese Herangehensweise stärkt das Gefühl der Eigenverantwortung und des Empowerments. Indem man aktiv seine Situation neu definiert, übernimmt man die Kontrolle über seine berufliche Laufbahn und öffnet sich für neue Möglichkeiten.
- Langfristige Zufriedenheit und Erfüllung: „Redefine it“ zielt darauf ab, langfristige Lösungen zu finden, die zu echter Zufriedenheit und Erfüllung im Berufsleben führen. Anstatt kurzfristige Lösungen zu suchen, die möglicherweise nicht nachhaltig sind, ermöglicht es eine tiefere Auseinandersetzung mit der eigenen Karriere und den persönlichen Zielen.
„Redefine it“ im Kontext von „Love it“, „Change it“ und „Leave it“
Die Einführung von „Redefine it“ als eine vierte Option bietet eine neue Perspektive im Vergleich zu den traditionellen Ansätzen von „Love it„, „Change it“ und „Leave it„. Jede dieser Optionen hat spezifische Auswirkungen auf Angestellte, und das Verständnis dieser Unterschiede kann helfen, die Bedeutung von „Redefine it“ im Arbeitskontext besser zu erfassen.
„Love it“ vs. „Redefine it“
- „Love it“ fordert Angestellte auf, ihre aktuelle Situation zu akzeptieren und Wertschätzung für ihren Job zu finden, was in manchen Fällen zu einer Ignoranz gegenüber bestehenden Problemen führen kann. Liebe es, oder wähle eine der anderen zwei Optionen.
- „Redefine it“ hingegen ermöglicht es, die eigene Einstellung zur Arbeit neu zu bewerten und zu gestalten. Es geht nicht darum, die Situation blind zu akzeptieren, sondern darum, einen Weg zu finden, wie man sich in seiner Rolle wohlfühlen und persönlich wachsen kann, selbst wenn nicht alle Aspekte des Jobs ideal sind. Du musst es nicht lieben, aber Du kannst es mitgestalten, so dass es für Dich passt.
„Change it“ vs. „Redefine it“
- „Change it“ setzt voraus, dass Angestellte die Macht und Ressourcen haben, um signifikante Veränderungen in ihrer Arbeitsumgebung oder Position herbeizuführen, was oft nicht der Fall ist. Kurzum: Verändere die Situation, wenn sie Dir nicht passt. Aber jammere nicht.
- „Redefine it“ erkennt an, dass nicht jeder die Möglichkeit hat, große Veränderungen vorzunehmen, und schlägt stattdessen vor, die eigene Wahrnehmung und Herangehensweise an die Arbeit zu verändern. Dies kann bedeuten, neue Aspekte der Arbeit zu entdecken, die befriedigend sind, oder Wege zu finden, um die täglichen Herausforderungen besser zu bewältigen. Kurzum: Du musst nicht gehen, sondern Du kannst Dich in diesem Prozess weiterentwicklen und verändern.
„Leave it“ vs. „Redefine it“
- „Leave it“ impliziert, dass der Ausstieg aus einer unbefriedigenden Arbeitssituation die beste Lösung ist. Dies kann jedoch unrealistisch sein aufgrund von Marktlage, persönlichen Umständen oder der Angst vor dem Unbekannten. Oder ganz einfach gesagt: Gehe, wenn Du es nicht lieben willst/kannst oder ändern willst.
- „Redefine it“ bietet eine Alternative, die nicht den radikalen Schritt des Jobwechsels erfordert. Es geht darum, die aktuelle Situation so zu gestalten, dass sie erträglicher, vielleicht sogar bereichernd wird, ohne die Sicherheit und Stabilität des aktuellen Jobs aufzugeben.
Bedeutung für Angestellte
Für Angestellte bedeutet „Redefine it„, dass sie eine aktivere Rolle in der Gestaltung ihres beruflichen Wohlbefindens übernehmen können, ohne sich auf extreme Maßnahmen wie Jobwechsel oder resignative Akzeptanz beschränken zu müssen. Es eröffnet einen Raum für persönliche Entwicklung und Anpassungsfähigkeit innerhalb der gegebenen Umstände.
„Redefine it“ fördert eine Haltung der Selbstreflexion und des proaktiven Handelns, die zu einer tieferen beruflichen Zufriedenheit und einem ausgeglicheneren Arbeitsleben führen kann. Es ist ein Ansatz, der die Realitäten des modernen Arbeitslebens anerkennt und dennoch Wege aufzeigt, wie man innerhalb dieser Realitäten ein erfüllendes Berufsleben gestalten kann.
Warum „Love it, leave it or change it“ keine Lösung aus der Opferrolle bietet
Die verbreitete Verwendung von „Love it, leave it or change it“ in Management-Seminaren und als Leitprinzip in der Unternehmensführung suggeriert eine Einfachheit und Direktheit in der Bewältigung beruflicher Herausforderungen, die oft nicht der Realität entspricht. Sie impliziert, dass die Lösung für Unzufriedenheit am Arbeitsplatz immer in der Hand des Einzelnen liegt, was zu falschen Hoffnungen und unrealistischen Erwartungen führen kann. Die Veränderungen der Arbeitswelt in den letzten Jahren (insbesondere seit Corona) zeigt, dass es mehr als nur eine „Love it, leave it or change it“ Floskel benötigt.
Ein Umdenken ist erforderlich, um eine realistischere und ganzheitlichere Sichtweise auf berufliche Herausforderungen zu fördern. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter sich unterstützt fühlen und in dem ihre individuellen Bedürfnisse und Umstände anerkannt werden. Management und Führungskräfte sollten sich darauf konzentrieren, Strategien zu vermitteln, die über die simplifizierende Dreiteilung hinausgehen und die eine tiefere Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Bedingungen und Möglichkeiten am Arbeitsplatz ermöglichen.
Die Förderung von Ansätzen wie „Redefine it„, die eine größere Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ermöglichen, kann dazu beitragen, eine gesündere, realistischere und unterstützende Arbeitskultur zu schaffen. Dies erfordert ein Engagement für kontinuierliche Kommunikation, persönliche Entwicklung und eine Kultur, die Vielfalt und individuelle Unterschiede wertschätzt. Nur durch ein solches Umdenken kann eine nachhaltige Veränderung im Umgang mit beruflichen Herausforderungen erreicht werden, die über die begrenzten Optionen von „Love it, leave it or change it“ hinausgeht.
„Leave it“: Eine Flucht in die innere Kündigung?
Die Option „Leave it“ wird oft als ein Ausweg aus beruflichen Unzufriedenheiten dargestellt. Ironischerweise kann diese Wahl jedoch in eine Form der inneren Kündigung münden, bei der Mitarbeiter zwar physisch anwesend, aber emotional und mental abwesend sind. Diese Art der „Flucht“ aus der Unzufriedenheit, indem man seine Motivation und Arbeitseuphorie reduziert, ist kaum eine sinnvolle oder konstruktive Lösung. Sarkastisch gefragt: Wie kann es eine vernünftige Option sein, sich in eine Haltung „Wenn ich das nicht bekomme, dann mache ich das nicht“ zurückzuziehen?
Diese Haltung gleicht eher einem kindischen Trotzverhalten als einer erwachsenen Strategie zur Bewältigung beruflicher Herausforderungen. Sie führt zu einer negativen Spirale, in der die eigene Unzufriedenheit und Demotivation nicht nur das persönliche Wohlbefinden, sondern auch die Arbeitsleistung und das Teamklima beeinträchtigen. Anstatt eine aktive Lösung für Probleme zu suchen, begibt man sich in eine passive Rolle, in der man weder sich selbst noch der Situation wirklich gerecht wird.
Die innere Kündigung als Reaktion auf berufliche Unzufriedenheit ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Option „Leave it“ in ihrer herkömmlichen Interpretation zu kurz greift. Sie berücksichtigt nicht die Notwendigkeit, aktiv an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten oder zumindest eine Haltung zu entwickeln, die es ermöglicht, die gegebenen Umstände auf eine gesündere und konstruktivere Weise zu bewältigen. Anstatt sich in Resignation zurückzuziehen, wäre es förderlicher, nach Wegen zu suchen, die eigene Einstellung zu ändern, die Situation neu zu bewerten oder konstruktive Schritte zur Veränderung einzuleiten. Nur so kann man der Falle der inneren Kündigung entkommen und einen Weg finden, der sowohl persönlich befriedigend als auch beruflich sinnvoll ist.